Bücher und Bildung im Gefängnis

Foto: Lena Sophie Zeller

Schule, Ausbildung und Weiterbildung spielen im Vollzug eine wichtige Rolle für die Erreichung des Vollzugsziels „Resozialisierung“. Eine erfolgreiche legale Erwerbstätigkeit bildet nach der Entlassung die Grundlage für ein straffreies Leben. Viele Resozialisierungsmaßnahmen im Vollzug zielen darauf, Inhaftierte zu befähigen, sich nach der Entlassung in das Arbeitsleben zu integrieren.

Als Vorbereitung dazu bieten Vollzugsanstalten verschiedene Formen der Schul-, Aus- und Weiterbildung an.

Wer unter welchen Bedingungen eine Bildungsmöglichkeit wahrnehmen kann, wird im Einzelfall entschieden. Da sich mit der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz im Strafvollzug vom Bund zu den Ländern verschoben hat, haben die meisten Bundesländer leicht unterschiedliche Regelungen bezüglich Arbeit und Bildung im Vollzug.

Welche Bildungsmöglichkeiten gibt es im Gefängnis?

Wir haben Inhaftierte nach ihren Bildungsmöglichkeiten befragt und unterschiedliche Antworten erhalten. Grundlegend gibt es fast überall Zugang zu Schulbildung und / oder zu Sprachkursen. Ausbildungsangebote oder Studium sind stärker eingeschränkt. Einzelne Gefangene nutzen die Zeit in Haft dafür, sich autodidaktisch weiterzubilden. Häufig geht es bei diesen Autodidakten um die Fortbildung der in Freiheit erlernten Berufe und die Möglichkeit, nach der Haftentlassung dort wieder Anschluss finden zu können. Vielen geht es auch um Sprachbildung.

Das Lernen findet neben den Schul- und Ausbildungsräumen hauptsächlich im Haftraum statt.
„Ich lerne in den Arbeitspausen, in meinem Haftraum nach der Arbeit – besonders am Wochenende, weil da ist es nicht zu laut auf dem Flur. Unter der Woche ist es schwierig, sich zu konzentrieren, weil es außerhalb vom Haftraum extrem laut ist. Man hört den ganzen Flügel. Wie die Leute schreien, lachen und durch den Flur laufen. Für das Lernen ist das ungünstig, aber man muss damit leben.“ (Gefangener, JVA Berlin-Tegel)

Gefangene und Ausbildung

Häufig wird beschrieben, dass eine Ausbildung nur angefangen werden kann, wenn die Haftzeit lang genug ist, diese abschließen zu können. „Da ich über 2 Jahre in Haft bin, konnte ich diese Ausbildung machen. Unter 2 Jahre kann man keine Ausbildung anfangen.“ (Gefangener, JVA Cottbus)

Das Angebot variiert stark. So schreibt uns ein Gefangener aus der JVA Asperg „In der Sozialtherapie gibt es nur die Möglichkeit, über einen selbstgekauften Laptop eine Meisterprüfung zu machen“ und ein Gefangener aus der JVA Tegel: „[hier] gibt es 8 Ausbildungsmöglichkeiten und 10 Modulare Qualifizierungen“.

„Bei Ausbildungsinteresse kann ein Antrag an den Arbeitskoordinator gestellt werden und wird zügig vermittelt.“ (Gefangener, JVA Waldheim)

Können Gefangene studieren?

Gefangene können bei entsprechendem Schulabschluss ein Fernstudium an der Fernuniversität Hagen absolvieren. Die Bewilligung zu studieren und die Zusage eines Studienplatzes ist jedoch mit Hürden verbunden. „Bei einem Studium ist viel Eigeninitiative gefragt. Technische Voraussetzungen sind vorhanden (PC-Raum, beschränktes Internet, Drucker).“ (Gefangener, JVA Waldheim)

Besonders beim Studium brauchen Inhaftierte jedoch zusätzliche Unterstützung. So schrieb uns ein Gefangener aus der JVA Neuburg auf die Frage, worin er die größte Schwierigkeit bezüglich seines Studiums sieht: „ich kann keinerlei Praxis sammeln, man muss sich nur mit Büchern und Studienheften begnügen.“

Inhaftierte Studierende sind in der Regel auf sich alleine angewiesen und haben kaum Austauschmöglichkeiten über Studieninhalte. Der Gefangene aus der JVA Neuburg berichtet weiter: „Hier in der JVA hab‘ ich keinerlei Möglichkeit auf fachgebundene Übungspartner, Zugriff auf Lernvideos / Online-Campus, Recherchen, oder Besprechungen mit anderen Studenten. […]

Die JVA sieht mein genehmigtes Fernstudium als eine Art Freizeitbeschäftigung an, welcher ich auch nach meiner Haftentlassung nachgehen könnte. Das Finanzielle (155 €) trage ich durch Arbeitsleistungen in Form von Arbeit in der JVA-Arbeitsstätte und Zellenarbeit im Haftraum bei. Meine monatlichen 200 bis über 300 Stunden für 1,38 € je Stunde ermöglichen mir die Bezahlung des Studienganges über mein Hausgeld, welches eigentlich zum Einkauf vorgesehen ist“.

Über seine Studienzeiten schreibt der Gefangene, dass er „im bereitgestellten Computerkabinett nach der Arbeitszeit, wenn es möglich ist, täglich bis zu 4 Stunden“ studieren kann. Lernen kann er „ausschließlich im Haftraum, wenn ich mal Ruhe habe. Das Fernstudium ist nun 6 Monate unterbrochen, weil ich allen praxisbezogenen Übungen einfach nicht nachkommen kann“.

Hin und wieder gibt es Justizvollzugsanstalten, wie die JVA Würzburg, die eine eigene Abteilungen für Fernstudenten im bayerischen Strafvollzug eingerichtet hat.

Bücher im Gefängnis: Bücherfonds und „Ein Buch als Weihnachtsgeschenk“

Bücher spielen für die Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle. Die Digitalisierung ist in den meisten Vollzugsanstalten noch nicht angekommen ist (LINK DIGITALISIERUNG). Bücher stellen auch einen wichtigen Teil des grundrechtlich garantierten freien Zugangs zu Informationen dar. Der Zugang zu Büchern und deren Besitz ist in den Länderstrafvollzugsgesetzen entsprechend geregelt.

„Durch ihre Hilfe – Wörterbücher in Englisch und Französisch – versuche ich mich selbst weiter zu entwickeln. Hier (in der Gefangenenbücherei) kann ich auch einige Bücher in Englisch und Französisch ausleihen, um meine Sprachkenntnisse zu intensivieren. Ich habe keinen Fernseher zur Verfügung und bin daher beim Lernen nicht abgelenkt.“ (Gefangene, JVA Zweibrücken)

 

 

Wie sieht der Zugang zu Büchern im Vollzug aus?

Inhaftierte haben Zugang zu Haftbüchereien, verfügen über – ein geringes eigenes – Hausgeld und können Spenden erhalten. Die Rückmeldungen der Inhaftierten zeigen uns immer wieder, dass bei Aus- und Weiterbildung insbesondere private Unterstützung durch Spenden gebraucht wird. Deshalb hat unser Verein für die Aus- und Weiterbildung von Inhaftierten einen Bücherfonds eingerichtet.

Haftbüchereien: Die Haftbüchereien bieten Inhaftierten im Alltag eine Möglichkeit der sinnvollen und selbstbestimmten Freizeitbeschäftigung durch Lesen. Das Bücherangebot in Vollzugsanstalten ist bundesweit in der Regel jedoch nicht zufriedenstellend. Angesichts begrenzter Haushaltsmittel betonen Haftbüchereien, dass mögliche Neubeschaffungen den Bedarf nicht decken und Bücherbestände nicht regelmäßig aktualisiert werden können.

Wir vermitteln gebrauchte Bücher von Privatpersonen an Haftbüchereien.

Hausgeld: Das Hausgeld der Gefangenen reicht in der Regel nicht für die Beschaffung von Lernmaterialien, die zumeist teurer sind als belletristische Romane. „Das ist ein großes Problem, da solche Fachbücher für uns Gefangene absolut nicht finanzierbar sind.“ (Gefangener, JVA Burg)
Spenden: Unser Verein vermittelt seit 2009 zusätzlich zu Zeitungen auch Bücher an Gefangene.

Neben der jährlichen Weihnachtsaktion „Ein Buch als Wehnachtgeschenk“ existiert seit 2015 ein Bücherfonds, der Inhaftierten Bücher für die Aus- und Weiterbildung finanzieren soll.
Während der Weihnachtsaktion vermitteln wir an Gefangene ein Buch ihrer Wahl, wobei wir extremistische und gewaltverherrlichenden Bücher ausschließen.

Im Rahmen des Bücherfonds vermitteln wir über das ganze Jahr verteilt Wörterbücher oder Bücher für Sprachkurse in verschiedenen Sprachen. Am häufigsten Englisch, Arabisch und Deutsch, aber auch Griechisch, Italienisch, Französisch, Chinesisch. Wir vermitteln auch Fachbücher zur Aus- und Weiterbildung. Am häufigsten handelt es sich um Fachbücher, die für eine laufende Ausbildung im Vollzug relevant sind. Durch eine Großspende hatten wir im Jahr 2021 die Möglichkeit, 352 Fachbücher über den Fonds zu vermitteln.

Zum Bücherfonds für Gefangene

Quelle: Umfrage von Freiabonnements für Gefangene e.V. im Frühjahr 2023 mit dem Thema Lernen.